Ich sehe was, was Du nicht siehst

… und das ist…

Bei unserer historischen Scherer Bünting-Orgel stellte sich die spannende Frage, was beim Abbau des Instruments und Gehäuses wohl ans Tageslicht kommen würde. Lassen sich historische Spuren finden? Gibt es Überraschungen? Ein bislang schon frei stehender Pfeiler im Turmraum hinter der Orgel ließ sich ohnehin als Hinweisgeber auf den Ort der alten Balganlage verstehen. Die Bestätigung fand sich, nachdem bei drei weiteren Pfeilern an den entsprechenden Stellen die Verschalungen entfernt wurden. Die Verschalung zum Turm hin ist sogar mit einer Lage Tuch unterlegt, vielleicht um zu verhindern, dass es dort kalt durchzieht oder um Insekten abzuhalten.
Hinter der Fassade des Brustwerks kamen neben dem 1994 eingezogenen Stahlgerüst alte Balken zutage, die auf die Orgel von Bünting zurückgehen. An diesen Balken war für den Orgelbauer jetzt ablesbar, dass der
Spieltisch bei Bünting deutlich tiefer angelegt war als zuletzt.
Eine weitere Entdeckung zeigte sich bei der Ausmalung der Kirche: eine alte florale Ranke, die ganz anders aussieht als jene, die die Gewölbe der Kirche verzieren.
Die Ranke befindet sich am Pfeiler auf der Südschiffseite und war bislang vom Pedalturm verdeckt. Am gegenüberliegenden Pfeiler ist diese Ranke nicht zu finden, dafür kamen einige „Höhlenmalereien“
mit deutlich weniger künstlerischem Anspruch aus dem 19. und 20. Jahrhundert zutage: z.B. „Wilhelm …. geboren 16.9.1889, geschrieben 19.9.1903“. Ist das ein Hinweis darauf, dass auf dem Orgelboden früher einmal Konfirmandenunterricht oder Chorproben mit diesem 14-jährigen stattgefunden haben?
Auch der Namenszug von Kantor Ludwig Christian Hachmeister, der hier 58 Jahre tätig war, ist dort zu finden sowie in die geweißte Wand eingeritzte Namen, teilweise mit Angabe der Gesangsstimmlage; außerdem eine stilisierte Brieftaube, vielleicht von Kinderhand.
Bislang von den Fußbodenbrettern verborgen wurden zwei Zeichen, die uns heute sehr unangenehm berührten: an einem nicht ganz so alten Balken kamen zwei Hakenkreuze zutage. Auch die Zahl 1929 lässt sich dort ausmachen, was auf den Orgelumbau und die Entstehung der Zeichen in jenem Jahr verweisen könnte. Beim Abbau der Verschalung schließlich, die im Zuge der Tragwerksertüchtigung 1994 erneuert worden war, kam an der Stelle, wo vermutlich der Aufgang zur gotischen Orgel gewesen ist, eine Tageszeitung aus diesem Jahr zum Vorschein – eine Ausgabe, an die ich mich sogar erinnern konnte, weil auf der Titelseite die Sängerin Montserrat Caballe abgebildet ist, die gerade zu einem Konzert in Lübeck weilte.
Und nun sind wir gespannt, welche Entdeckungen bei der Untersuchung der historischen Pfeifen noch kommen werden. Mancher Pfeife steht im Anschluss sicherlich eine aufwändige Restaurierung bevor. Und daher sei an dieser Stelle wieder einmal daran erinnert, dass es immer noch zahlreiche Pfeifen ohne Paten gibt, was unter www.orgelbauverein-moelln.de nachzuverfolgen ist. Eine Pfeifenpatenschaft kann auch zu Weihnachten ein schönes Geschenk sein und hilft darüber
hinaus auch noch der Orgel…

Hartmut Ledeboer